Chiara´s Geschichte.

 

Hey, ich bin Chiara, 20 Jahre alt und lebe in der Nähe von Köln. Vor ungefähr 4 Jahren bekam ich die Diagnose rheumatoide Arthritis.

Doch dabei blieb es nicht. Mein Weg führt über etliche OPs, eine Zehamputation, Anteile des systemischen Lupus erythematodes, zwei künstliche Kiefergelenke und den täglichen Wahnsinn, den das Leben als junge Rheumatikerin so mit sich bringt.

 

Doch erstmal von vorne: Meine Geschichte beginnt genau genommen im Jahr 2017.
Damals war ich ein 13-jähriges Mädchen, das die Ferien mit ihrer Familie im Urlaub verbrachte. Doch dieses Mal ohne zu wissen, dass diese eine kleine Verletzung der Beginn einer langen Schmerzgeschichte sein wird. Ich verletzte mir meinen Zeh. Zunächst schien es eine Prellung zu sein und ich dachte mir nicht viel dabei. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Es folgten drei Jahre, in denen die Schwellung im Zeh nicht nachließ, die Schmerzen blieben und ich immer wieder Ärzte aufsuchte, in der Hoffnung, dass mir jemand helfen könnte. Verschiedenste Ärzte, verschiedenste Vermutungen: über geprellt bis hin zu einer Kapselverletzung oder auch gebrochen. Doch machen konnte man da nichts. Es hieß: Abwarten, das wird schon bald wieder gut werden. Doch das wurde es nicht. Auch die Röntgen- und MRT-Bilder zeigten Auffälligkeiten, doch zuordnen konnte es niemand.

Es folgte die erste OP, um das entzündete Gewebe zu entfernen, doch auch dies führte zu keiner Besserung.

Es sollte allerdings auch nicht nur bei dem Zeh bleiben. Zusätzlich bereiteten auch die Hände Schwierigkeiten. Sie deformierten sich, schmerzten und die Bewegung wurde zunehmend eingeschränkter.

Nachdem auch weitere Gelenke dazukamen wurden die Ärzte hellhörig und somit folgte die Überweisung zu einem Rheumatologen. Und dort kam es dann über Umwege zur Diagnose: rheumatoide Arthritis - eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Abwehrsystem in erster Linie die Gelenke angreift.

Ein großer Schock, als damals 16-jähriges Mädchen. War das wirklich wahr? Ich? In so jungem Alter? Damals wusste ich noch nicht viel über Rheuma, doch ich merkte schnell, dass diese Diagnose mein Leben ziemlich auf den Kopf stellte. Ich startete die erste medikamentöse Therapie mit MTX und es kam zu den ersten Gelenkpunktionen.
Es folgten weitere Untersuchungen, zahlreiche medikamentöse Umstellungen, viele Nebenwirkungen, Arztwechsel, Krankenhausaufenthalte und auch weitere OPs. Aufgrund der Deformierung meiner Hände bekam ich Schienen, die ich insgesamt über 1,5 Jahre täglich an beiden Handgelenken getragen habe.

Auf einmal stand meine Gesundheit im Mittelpunkt meines Lebens.
Laufen war häufig nicht möglich, aufgrund der OPs und Entzündungen im Zeh, die sich weiter in den Fuß ausbreiteten. Die Knochen standen nicht mehr so, wie sie stehen sollten. Jeglicher Versuch, die Knochen in dem Zeh (wo aufgrund eines Arztfehlers mittlerweile auch das Gelenk fehlte) mit Drähten zu fixieren, scheiterte, da die Knochen durch die ganzen Entzündungen nicht mehr richtig zusammengewachsen sind. Irgendwann war klar, dass eine langfristige Lösung her musste.
Und so wurde nach vielen Arztterminen und Gesprächen entschieden, dass es nur noch eine Option gab: die Amputation des Zehs. Somit kam es zur nächsten OP, der Zeh wurde amputiert und es folgten weitere Wochen im Rollstuhl und auf Krücken. Die Entzündung im Mittelfuß blieb jedoch.

Die Entzündungswerte im Blut stiegen weiter an, Gelenkergüsse waren mittlerweile in so gut wie jedem Gelenk und mit der Zeit blieb es nicht mehr ‚nur’ bei den Gelenken, denn nun waren auch die ersten Organe vom Rheuma betroffen. Schnell war klar, dass die Symptome und Blutwerte nicht allein auf die rheumatoide Arthritis zurückzuführen waren.

Es musste eine weitere Komponente geben. Und diese Komponente wurde dann „systemischer Lupus erythematodes“ genannt und sorgte vor allem für: auffällige Blutwerte, Fieberschübe, ein allgemeines Krankheitsgefühl, Aphten, Haarausfall, Perikardergüsse und Auffälligkeiten im EKG.
Sofort wurde ich auch gegen den Lupus medikamentös eingestellt und es folgten regelmäßige Blut- und Ultraschallkontrollen der Organe.

Doch auch das sollte scheinbar noch nicht genug sein. Es kam eine weitere große Baustelle dazu: der Kiefer. Lautes Knacken beim Essen, Schmerzen und Blockaden im Kiefergelenk gehörten mittlerweile zum Alltag. Auch die MRT-Bilder zeigten ein stark geschädigtes Kiefergelenk. Zunächst war es ‚nur’ das linke Kiefergelenk, doch irgendwann kam auch die rechte Seite dazu. Die Mundöffnung nahm nach und nach ab und erreichte irgendwann einen Maximalwert von ungefähr 1cm. Die Schmerzen wurden zunehmend stärker und die Einschränkungen größer.

Zunächst versuchte man, die Mundöffnung unter Betäubung der Muskulatur wiederherzustellen - leider ohne Erfolg. Es folgte die Überweisung zum Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. Es stand fest, dass ich um eine OP nicht mehr drum herum komme. Doch es dauerte, bis ich jemanden fand, der sich dann auch wirklich an den Kiefer traute. Die meisten taten dies nicht, aufgrund meines Alters und dem Rheuma. Es war eine ziemliche Reise durch Deutschland und Österreich, begleitet von viel Enttäuschung und Medical Gaslighting.
Als sich dann endlich jemand fand, der sich dieser Herausforderung annahm, folgte die erste OP, die jedoch erfolglos war. Schnell war klar, dass es nicht zielführend sein wird, weiter an dem Kiefergelenk zu operieren. Dafür waren die Schäden an Gelenk und Knochen zu groß. Es folgten weitere Gespräche und es wurde überlegt, ob man noch irgendwas tun könnte, um das Gelenk zu erhalten. Um die Antwort direkt mal vorwegzunehmen: nein, konnte man nicht. Die einzige Möglichkeit war das künstliche Gelenk. Beidseits.

Und nun bin ich hier. Als junge Rheumatikerin, mit zwei künstlichen Kiefergelenken, täglich neuen Herausforderungen und dennoch jeder Menge Lebensfreude, Hoffnung und einem Mindset, was ich mir vor meiner Diagnose niemals hätte vorstellen können. Und auch, wenn all das Diagnosen sind, auf die man gerne verzichten kann, bin ich mir bei folgendem sehr sicher: all das bringt definitiv auch Positives mit sich. Und ich bin voller Dankbarkeit und Stolz, heute an diesem Punkt zu sein und mich auf die wichtigen und wesentlichen Dinge im Leben zu fokussieren - mit dem Rheuma als meinem treuen täglichen Begleiter.

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Was ist Rheuma?

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Julia´s Geschichte.