Unverständnis und Vorurteile.
In der Bevölkerung ist der Begriff „Rheuma” den meisten Menschen bekannt. Allerdings gehen mit dem Halbwissen derer, die nie in direkten Kontakt mit einer rheumatischen Krankheit gekommen sind, oft Vorurteile darüber einher, was Rheuma ist und wie Betroffene eingeschätzt werden. Es wird beispielsweise „als „Wehwehchen”, durch falsches Verhalten oder falsche Ernährung verursachtes „Zivilisationsleiden” und „Alte-Leute-Leiden" wahrgenommen und dargestellt.” (Sander et al.)
Es ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass sich hinter der Bezeichnung „Rheuma” nicht nur eine differenzierte Krankheit mit immer den gleichen Symptomen, sondern ein großes Spektrum an verschiedensten Krankheitsbildern und Symptomen verbirgt.
Die Vorurteile und das beschränkte Bild, das häufig von Rheuma kultiviert wird, können unter anderem dafür sorgen, dass Betroffene, besonders junge Betroffene, Rheuma gar nicht als mögliche Ursache ihrer Beschwerden in Betracht ziehen, da sie es für unmöglich halten, selbst von dieser „Alte-Leute-Krankheit" betroffen zu sein. Dadurch kann sich eine mögliche Therapie und Behandlung verzögern und sich der Zustand verschlechtern.
Zu den Gründen für ein schiefes Bild der rheumatischen Erkrankungen zählen aber auch der Mangel an rheumatologischen Lehrstühlen und damit eine z.T. lückenhafte medizinische Ausbildung der Ärzte, sowie die Darstellung von Rheuma auf Plattformen, auf denen die Hersteller von Medikamenten für ihr Produkt werben; denn auf sieben von acht Websites, auf denen Fotos von betroffenen Menschen dargestellt sind, handelt es sich um Senioren.
Hinzu kommt, dass die ambulante Versorgungsstruktur in der Rheumatologie weiterhin große Mängel aufweist. Diese Mängel machen sich unter anderem dadurch bemerkbar, dass lediglich jeder vierte Betroffene eine spezifische Therapie und damit eine deutlich bessere Chance auf eine Remission innerhalb der ersten 12 Wochen erhält, nachdem eine Sprechstunde stattfand.
Auch Menschen, bei denen die rheumatische Erkrankung bereits diagnostiziert wurde, sehen sich im Alltag, bei Kontakt mit Freunden und Familie, bei der Arbeit und in der Freizeit mit den Folgen eines lückenhaften oder unzutreffenden Bildes von Rheuma konfrontiert. So kommt es bestenfalls zu Unwissenheit, schlimmstenfalls zu „gut gemeinten” Ratschlägen über eine „bessere Ernährung” und Diätvorschlägen, über einen „gesünderen Lebensstil” oder mehr Bewegung.
Das Bild, welches meist von Rheuma beibehalten oder verbreitet wird, ist ein simples. Tatsächlich ist es deutlich simpler als die Realität, denn Rheuma in seinen verschiedenen Facetten zu beleuchten und sich der Anzahl der verschiedenen Erkrankungsformen und ihrer Unterschiede bewusst zu machen, ist eine Aufgabe, die jenseits der Fachliteratur praktisch gar nicht angegangen wird.
Wie können wir das Image von rheumatischen Krankheiten verändern? Wie kann ein ehrliches Interesse der Menschen geweckt werden und damit eine Offenheit entstehen, die über das Halbwissen und die fehlerhaften Vorstellungen hinausgeht? Durch das Internet entstehen in diesem Bereich neue Möglichkeiten der Informationsverbreitung, der Aufklärung und der Möglichkeit, Menschen Einblicke in das Leben von Betroffenen zu ermöglichen. Es ist essenziell, dass diese Möglichkeiten genutzt werden und zusätzlich zu einer sachlichen Aufklärung authentisch mit dem Thema „Rheuma” umgegangen wird und der Mut derer unterstützt wird, die ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit einer rheumatischen Erkrankung teilen und damit ihren Teil zu einer Aufklärung beitragen.
Da medizinische Profis in diesem Bereich rechtlichen Grenzen unterliegen wenn es um die mediale Kreativität und damit auch um das Erschaffen einer Awareness geht, ist es umso wichtiger, dass Betroffene selbst aktiv werden und ihre Erfahrungen mit denen teilen, die noch mit Vorurteilen und Unverständnis belastet sind. Damit ist nicht nur denen geholfen, die sich in ihrem Alltag immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert sehen, sondern auch denjenigen, die Symptome aufweisen und durch ein aufgeklärtes Bild von Rheuma rechtzeitig handeln und damit eine bessere Chance auf eine Remission erreichen können.
Möchtest auch du zur Aufklärung & Awareness beitragen und deine Geschichte mit uns und allen Betroffenen teilen?
Quellen:
Sander, O./Korfmacher, W./Ostendorf, B./ Schneider, M. (2018): Rheumatologie im Spiegel der Medien und Werbung am Beispiel des Rheumazentrum Rhein-Ruhr. Springer Medizin Verlag GmbH. (https://link.springer.com/article/10.1007/s00393-018-0461-2)